Eine Beschäftigungstherapie genannt Redesign.

Mal was aus meiner persönlichen Sicht als Anwender. Da gibt es eine Anwendung, die ausgezeichnet funktioniert, über Jahre gewachsen ist und ihren Zweck perfekt erfüllt. Jeder Klick sitzt, man kann sie praktisch blind bedienen und bekommt in nur wenigen Schritten das, was man gesucht hat.
Dann startet man den Appstore, spielt nichts ahnend das Update ein, denn im Changelog werden nichtssagende “Optimierungen der Stabilität und Fehlerkorrekturen” erwähnt. Man startet die App erneut und kommt aus dem Wundern nicht mehr raus. Wo zum Henker finde ich die Information? Warum muss ich jetzt gefühlt durch vier Menüpunkte gehen, um da hinzukommen, wo ich noch vor dem Update mit nur einem Klick gekommen bin? Die “Optimierung” war also ein Redesign. Oh Schreck!

Selbstverständlich hat ein Redesign eine Daseinsberechtigung. Mode ändert sich (auch das gibt es in der Welt der Apps und Websites), es wurde in der Zwischenzeit UX-Research gemacht und man will die neuen Erkenntnisse umsetzen, um Nutzern das Leben zu erleichtern. Oder man führt gerade eine Untersuchung durch und es findet ein A/B-Test statt, um anschließend beurteilen zu können, welche Änderung bei den Nutzern gut ankommt.

Das ist aber leider nicht immer der Fall. Apps werden grundlos regelrecht zerstört. Und dass nicht nur ich das so sehe, beweisen die anschließenden Ein-Stern-Bewertungen im Appstore. Irgendwas läuft also offensichtlich falsch. Was ist passiert?

Über die Gründe für derlei unvorteilhafte Versuche, eine App zu optimieren kann man nur Mutmaßungen anstellen. Meine persönliche Befürchtung ist: Ideenlosigkeit bei gleichzeitiger Notwendigkeit, die eigene Position im Unternehmen zu verteidigen oder behaupten. Ist ein wenig böse, ich weiß. Und doch steht man mit dem Team auf einer Gehaltsliste und muss zeigen, dass das ausgegebene Geld gerechtfertigt ist, damit man nicht dem fiesen Rotstift zum Opfer fällt. Oder man ist neu in einem Team/einer Firma und muss schnell einen eigenen Stempel aufdrücken, sich ins Gespräch bringen. Beides geht am schnellsten durch das Umgestalten vorhandener Features. Es ist, als hätte man eine ganz neue App produziert. Womöglich kann man das noch - zynisch gesprochen - mit ein paar schönen KPIs untermauern und schon ist die eigene Position gesichert - und der Nutzer verärgert.

Ich will damit niemandem zu nahe treten. Als Nutzer ärgert mich aber jedes unsinnige Redesign, das leider auch noch zu oft in zu kurzen Abständen passiert und mir den Spaß an einer lieb gewonnenen Anwendung raubt. Denn allzu oft wird nicht nur das UX verschlimmbessert sondern auch gute Funktionen im besten Fall versteckt, im schlimmsten Fall gar gänzlich oder teilweise entfernt, weil sie noch nicht vollständig fertig geworden sind. Letzteres passiert, wenn tatsächlich eine Anwendung wegen eines Technologiewechseln (oder Teamwechsels bedingt durch mangelnde Dokumentation) neu geschrieben wird.

Ja, ein Redesign sieht wie ein low hanging fruit aus. Leider ist es aber immer kostspielig, bei wenig bis hin zu gar negativem Nutzen für die Anwenderinnen und Anwender!

Dann doch lieber bei einer Durststrecke mit einen thematisch entfernten Hackathon die EntwicklerInnen glücklich machen und die Zeit als ProduktmanagerIn dafür nutzen, sich ein paar wirklich sinnvolle Features zu überlegen. Und der kreative Tipp schlechthin lautet: hört hin. Hört hin, was die eigenen NutzerInnen in Kommentaren, Foren oder Feedback-E-Mails zu sagen haben, um eine erste Idee zu bekommen. Es kostet nichts. Und diese Ideen weiter gesponnen bringen deutlich mehr, als das hundertste Redesign.