Raus aus der binären Zustimmungsfalle

Wir alle haben es nur zu oft erlebt: In einem Team wird über mehrere Alternativen debattiert und es gilt, sich auf eine aus mehreren zu einigen. Doch dann kippt trotz vorheriger produktiver Phase die Stimmung bei den Beteiligten. Es bilden sich mehrere Lager und wenn dann eine Mehrheitsentscheidung herbeigeführt wird, die wir alle irgendwie im Mark zu haben scheinen, sind einige der Beteiligten unzufrieden, frustriert. Man wird das Gefühl nicht los, dass die gemeinsame Entscheidung letztendlich von einigen nicht mitgetragen oder gar sabotiert wird. Doch wie kam es dazu und wie kann man eine solche Entscheidungsfindung in Teams besser gestalten?

Die Mehrheitsentscheidung – ein probates demokratisches Mittel, das täglich Anwendung findet. Und doch erscheint sie nicht optimal zu sein. Stimme ich zu, obwohl ich vorbehalte habe? Oder bin ich dagegen und stimme dagegen, weil meine Bedenken nicht berücksichtigt werden. In beiden Fällen kann man nicht wirklich von einer guten Entscheidung sprechen, denn am Ende muss eine solche eben von allen getragen werden und das binäre ja/nein reicht nicht aus, um die Einwände tatsächlich zu berücksichtigen.
Schlimmer noch: Es kommt zu einer Patt-Situation, wo die Hälfte für und die andere Hälfte dagegen ist. Die Fronten verhärten sich und die Diskussionen drehen sich im Kreise, alle versuchen die Gegenseite vom eigenen Standpunkt zu überzeugen und am Ende wird die Sitzung womöglich auch noch vertagt.

Wie kann man eine solche Verhärtung auflösen? Der Trick besteht darin, den binären Zustand aufzulösen und den Abstimmungsraum so zu erweitern, dass die Einwände besser berücksichtigt werden. Ein Tool, das genau das bietet, ist die Widerstandsabfrage oder etwas abgewandelt und positiver formuliert die "8 scales of agreement".

Widerstandsabfrage

Bei der Widerstandsabfrage werden die Beteiligten nach ihrem (wie der Name schon vermuten lässt) persönlichen Grad des Widerstandes im Hinblick auf eine Fragestellung gefragt. Die Abstimmung erfolgt relativ zügig mit Handzeichen, wobei

  1. ein Finger (Daumen hoch) für Zustimmung,
  2. zwei Finger für geringen Widerstand
  3. drei Finger für mittleren Widerstand
  4. vier Finger für hohen Widerstand,
  5. fünf Finger für extremen Widerstand stehen.

Stehen mehrere Optionen zur Abstimmung, gewinnt jene, mit dem niedrigsten Grad Widerstand (Summe alle hochgehaltenen Finger).

8 Scales of agreement

Bei dieser Methode geht es nicht darum, direkt den Widerstand zu erfragen, sondern den Grad der Zustimmung. Das fühlt sich irgendwie positiver an, wie ich finde. Wie läuft das ganze ab? Zu einer zur Abstimmung stehenden Option gibt es für jeden 8 unterschiedliche Antwortmöglichkeiten:

  1. Volle Zustimmung: “Ich mag es”
  2. Zustimmung, mit einigen strittigen Punkten: “Eigentlich mag ich es, aber …”
  3. Zustimmung mit Vorbehalten: “Ok, allerdings habe ich die Sorge dass …”
  4. Enthaltung: “Ich bin unentschlossen”
  5. Beiseite treten: “Ich mag es nicht, werde aber der Gruppe nicht im Wege stehen.”
  6. Nicht einverstanden, aber willens, mit Mehrheit zu gehen: “Ich möchte, dass meine Unzufriedenheit vermerkt wird, werde aber die Entscheidung mittragen.”
  7. Nicht einverstanden, mit der Bitte, von der Verantwortung für die Umsetzung entbunden zu werden: “Ich werde nicht im Weg stehen, aber ich will nicht Teil davon sein.”
  8. Blockade: “Ich lege mein Veto ein”.

(Quelle: 8 scales of agreement. Frei aus dem englischen übersetzt).

Fazit

Klassische Entscheidungen sind eher reduziert auf den 1. oder den 8. Punkt, sodass ein Konflikt vorprogrammiert ist, da man sich positionieren muss, was einen gewissen Druck bei den Beteiligten erzeugt. Mit der Erweiterung des Raumes kann besser das Stimmungsbild abgefragt werden und wird einfacher zu verstehen welche Einwände einzelne Personen haben. Diskussionen können damit wieder geöffnet und eine Einigung schneller herbeigeführt werden.

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus funktionieren beide Methoden ähnlich effizient. Allerdings fühlt sich die zweite Methode, wie bereits erwähnt, positiver an, da man von Zustimmung und nicht von Widerstand spricht – ein kleiner aber feiner Unterschied.