Sind wir noch in der Schule?

Trotz aller Bemühungen und neuer Trends wie “New Work”, Mitarbeitermitbestimmung, propagierter Selbstorganisation und dem Abbau von Hierarchieebenen im Zuge von Transitionen ist das Arbeitsverhältnis irgendwie doch auf dem Stand aus dem letzten Jahrtausend stehen geblieben und ist leider keine Partnerschaft auf Augenhöhe, sondern am Ende doch nur eine, in der der eine Partner am längeren Hebel sitzt. Nirgends zeigt sich das so deutlich, wie am so genannten Arbeitszeugnis.

Das Arbeitszeugnis. Bei Bewerbungen wird es oft verlangt, gleichzeitig ist es ein zahnloser Tiger, da der Arbeitgeber - auch der vergangene - eine Fürsorgepflicht hat und daher ein wohlwollendes Zeugnis ausstellen muss. Das hat dazu geführt, dass eine Geheimsprache etabliert wurde, die so geheim ist, dass darüber 1001 Bücher geschrieben wurden und am Ende dann doch keiner die versteckten Formulierungen sicher versteht. Darüber haben dann oft die Arbeitsgerichte zu entscheiden und den Wortlaut zu deuten.

Doch warum gibt es Arbeitszeugnisse in der modernen aufgeklärten Arbeitswelt überhaupt noch? Wieso stellt ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer am Ende der Beschäftigung ein Zeugnis aus? Haben wir die Schule nicht längst hinter uns gelassen und reden wir hier nicht von erwachsenen Personen?

Von der ungleichen Beziehung

Das Arbeitszeugnis ist dann doch ein Zeugnis der ungleichen Beziehung zwischen den beiden Parteien, in denen die eine Seite - der Arbeitgeber -, Sanktionsmöglichkeiten hat (Sog. Abmahnung, in der Schule war das noch das Tadel), mit dem Rauswurf drohen kann, am Ende dann auch noch die Arbeitsweise des Angestellten mal mehr mal weniger wohlwollend und objektiv bewertet und damit auch noch Jahre später dem ehemaligen Arbeitnehmer Steine in den Weg legt und ihn damit regelrecht brandmarkt. Welch süße Vergeltung und Rache?

Erst langsam und dank des Internets bekommt auch der Arbeitnehmer die Möglichkeit, ebenfalls die Firmen auf Portalen wie Kununu u.ä. zu bewerten - auch hier oft im Frust und wenig objektiv verfasst. Und wenn man sich diese Bewertungen durchliest, wird einem Angst und Bange! Damit herrscht zumindest in diesem Punkt ein gewisses Gleichgewicht der Kräfte.

Wieso also noch die Zeugnisse, in denen sich der Verfasser dann stets bemüht, deren Aussagekraft dann oft eher gegen Null geht?
Es gibt doch am Anfang die halbjährige Probezeit und die Beziehung, die man mit Vertragsabschluss eingeht, ist in eben jenem genau definiert, eine Entlohnung ebenfalls vereinbart und wenn man denn nun doch feststellt, dass es nicht geht, ja dann trennt man sich wieder.

Der Oberlehrer gehört in die Schule

Welche Alternative müsste es also geben? Lassen wir doch den Oberlehrer in der Schule und konzentrieren uns auf das Wesentliche: Von wann bis wann bestand das Arbeitsverhältnis/die Kooperation und welches Aufgabenfeld umfasste die Tätigkeit. Denn über Erfolg und Misserfolg entscheidet nicht nur das Können und das Engagement des Mitarbeiters sondern auch die Umgebung, die Kollegen, die Vorgesetzten und die Firma. Es ist an der Zeit, eine Arbeit als eine Symbiose zu betrachten. Denn letztendlich verfolgen beide Parteien jeweils ein Ziel, das im idealfall in die gleiche Richtung geht und daher beide von einer gesunden Symbiose oder Kooperation (zeitweise) profitieren.
Oder man trennt sich wieder. Aber fair und bitte auf Augenhöhe!