Auch bei der Selbstorganisation gibt es Regeln

Eine der Grundannahmen bei Scrum, einer agilen Methodik zur Entwicklung von Software, ist das selbst organisierte Team, welches bei der Umsetzung der Backlog-Items freie Hand hat. Doch was genau bedeutet diese Selbstorganisation?

Im klassischen Projektmanagement gibt es einen Projektleiter, der dem Team relativ stramm vorgibt, welche Arbeiten wie durchzuführen sind und welche zuvor festgelegte Architektur verwendet werden soll. Dabei besteht die Gefahr, dass die Entwicklungsarbeit zu einer reinen Programmieraufgabe verkommt und dadurch die Motivation und Zufriedenheit der mit der Aufgabe beauftragten Entwickler sinkt.

Scrum geht hier einen anderen Weg und überlässt die Entscheidungen weitgehend dem Entwicklungsteam. Das Team ist es, welches sich Gedanken über den Entwurf und das Vorgehen macht und sitzt damit gewissermaßen selbst am Reißbrett der Softwareentwicklung. Zu dieser Selbstorganisation gehört auch die eigenständige Einteilung und Durchführung der Arbeit. Die Grundannahme dabei ist in der Motivationsforschung zu finden, in der angenommen wird, dass Menschen produktiver und fokussierter arbeiten, wenn sie zufriedener mit ihrer Tätigkeit sind. Diese Zufriedenheit wird dabei unteranderem durch Eigenverantwortung erreicht.

Selbstverantwortung hießt nicht, dass es keine Regeln gibt

Eigenverantwortung enthält nicht nur zufällig das kleine Wörtchen Verantwortung. Und gerade junge Teams, also jene, die erst ganz frisch eine agile Methodik einsetzen, kommen mit diesem Konzept der Selbstorganisation nicht klar. Das plötzliche Machtvakuum führt zu einer kleinen Anomie und jegliche Regeln werden durch das Team über das ihnen beigebrachte Schlagwort „Selbstorganisation“ torpediert. Hinzu kommt eine kurzzeitige Orientierungslosigkeit, da nun scheinbar niemand da ist, der den Weg vorgibt.

Doch die Selbstorganisation Bedeutet nicht, dass es keine Regeln gibt. Richtig interpretiert steht sie für gewisse Freiheiten in einem fest vorgegebenen Rahmenwerk - eine Sandkasten.

Als anschauliches Beispiel kann man hier den Straßenverkehr heranziehen: Die Freiheit besteht darin, dass man selbstbestimmt von A nach B kommt und dem Verkehrsteilnehmer nicht der Weg dorthin vorgegeben wird. Das Rahmenwerk bildet die Straßenverkehrsordnung, die sowohl eine gewisse Konfiguration des Vehikels fordert, als auch die Regeln für die Teilnahme am Straßenverkehr aufstellt.

ScrumMaster als Fahrlehrer

Das Rahmenwerk des selbstorganisierten Scrum-Teams wird durch die fünf Scrum-Werte (Respekt, Fokus, Mut, Verpflichtung, Offenheit) einerseits und durch das Produkt- und Sprintbacklog andererseits gebildet. Das Team verpflichtet sich fokussiert am Sprintziel zu arbeiten und nur die Aufgaben durchzuführen, die Zielführend sind. Dies ist anfangs nicht einfach und erfordert teils intensives Training.

Aufgabe des ScrumMasters ist es, das Team bei der Einhaltung dieser Regeln zu unterstützen und gegebenenfalls Regelverstöße aufzuzeigen. Er ist also zugleich Fahrlehrer und Verkehrspolizist.